Medicus:Heinrich Medicus (*1743)
Aus DAFFG
Zeile 6: | Zeile 6: | ||
- | '''Heinrich Medicus''' *13.8.1743 Karlsruhe/Atzbach †2. | + | '''Heinrich Medicus''' *13.8.1743 Karlsruhe/Atzbach †2.9.1828 Lichtenau bei Baden, Husarenoberst |
'''Vater:''' [[Medicus:Friedrich_Reinhard_Medicus_(*1699)|'''Friedrich Reinhard Medicus (*1699)''']] | '''Vater:''' [[Medicus:Friedrich_Reinhard_Medicus_(*1699)|'''Friedrich Reinhard Medicus (*1699)''']] | ||
Zeile 17: | Zeile 17: | ||
* ∞ in 2. Ehe 23.8.1803, Lichtenau mit Christina Magdalena Dietrich, verwittw. Meyer, †16.1.1827 | * ∞ in 2. Ehe 23.8.1803, Lichtenau mit Christina Magdalena Dietrich, verwittw. Meyer, †16.1.1827 | ||
- | '''Leben:''' | + | '''Leben in Kürze:''' |
Vielfältige organisatorische Tätigkeiten. Seine vielen Gedichte und Sagensammlungen sind erhalten. Zuerst in preußischen, dann in badischen Diensten, war Kavallerieoffizier und nahm 1808 als Oberst seinen Abschied. Er zog sich nach Lichtenau im Hanauerland zurück, um dort seinen schriftstellerischen und volkswirtschaftlichen Interessen zu leben. | Vielfältige organisatorische Tätigkeiten. Seine vielen Gedichte und Sagensammlungen sind erhalten. Zuerst in preußischen, dann in badischen Diensten, war Kavallerieoffizier und nahm 1808 als Oberst seinen Abschied. Er zog sich nach Lichtenau im Hanauerland zurück, um dort seinen schriftstellerischen und volkswirtschaftlichen Interessen zu leben. | ||
Zeile 40: | Zeile 40: | ||
Autor der obigen Vita: Ernst Decker; Bilder: [http://www.fetzer-net.de/heimatverein/archiv/57,0,heinrich-medicus,index,0.html Heimatverein Medicus] | Autor der obigen Vita: Ernst Decker; Bilder: [http://www.fetzer-net.de/heimatverein/archiv/57,0,heinrich-medicus,index,0.html Heimatverein Medicus] | ||
- | '''Quellen:''' | + | '''Bericht des Biographen Adolf Hirth, Kappelrodeck:''' |
+ | |||
+ | Vor 152 Jahren, am 2. September 1828 morgens um 9 Uhr, starb die seinerzeit größte Persönlichkeit von Lichtenau, der oberste Staatsdiener des Städtchens, der auch gesellschaftlich den ersten Platz einnahm und in der Kirche den ersten Sitz am Altar innehatte: Heinrich Medicus, Großherzoglich Badischer Husarenoberst. Und als er am 4. September zu Grabe getragen wurde, da umfaßte die Trauergemeinde weiteste Bevölkerungsschichten, angefangen vom einfachen Volk bis hinauf zu herrschenden Regierungskreisen. Wer aber war dieser Mann, der insbesondere in den letzten Jahren so zurückgezogen gelebt hatte, daß selbst die Familie des Großherzogs von Baden an seinem Hinscheiden so sehr Anteil nahm? | ||
+ | |||
+ | Heinrich Medicus wurde am 13. August 1743 zu Atzbach im Herzogtum Nassau geboren, wo sein Vater fürstlicher Regierungsrat und Amtmann war. Heinrich Medicus schlug die Soldatenlaufbahn ein und wurde bereits mit 17 Jahren Leutnant im Dienst des Landgrafen von Hessen-Kassel. Im Jahre 1764 trat er in die Dienste Friedrichs des Großen und wurde dem bekannten Regiment der Tettritz-Dragoner zugeteilt. Nach einigen anderen Diensten, wobei wir ihn „im Reich" als zweiten Werbeoffizier finden, kam er 1780 zum LeibInfanterie-Regiment des Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Sein Ansehen war bereits so groß, daß Heinrich Medicus am 5. Januar 1791 als Rittmeister dem Husarenkorps zugeteilt wurde, der einzigen nur etwa 60 Mann zählenden Kavallerietruppe des Markgrafen von Baden. So erhielt er im Januar und Februar 1792 den recht schwierigen und verantwortungsvollen Posten des Kommandanten der Festung Kehl. Ein Jahr später begleitete er als Adjutant den zweiten Sohn des Markgrafen, Prinz Friedrich, auf dem Feldzug in Holland gegen Frankreich. Aus jener Zeit stammt die erste größere Schrift von Medicus, als er im Auftrag des Fürsten Tagebuch führte. Darin weist er sich als exakter Beobachter und verläßlicher Augenzeuge aus, der nicht nur ein anschauliches Bild des damaligen Feld- und Lagerlebens verfaßte, sondern auch sonst über allerlei militärische Begebenheiten und Eigentümlichkeiten zu berichten wußte. | ||
+ | |||
+ | Nachdem Medicus bereits am 5. Januar 1794 zum Major befördert worden war, rückte er 1800 zum Oberstleutnant auf und wurde wegen seines vorgerückten Alters und der damit verbundenen körperlichen Dienstunfähigkeit auf den 1. März 1805 unter Beförderung zum Oberst des gesamten Husarenkorps in den Ruhestand versetzt. | ||
+ | |||
+ | Heinrich Medicus nahm nun seinen Alterssitz in der Stadt Lichtenau. Dort hatte er nämlich im Jahre 1802 bei der Besetzung des Hanauerlandes und der Inbesitznahme des alten hanauischen Amtsstädtchens Lichtenau am 22. Oktober 1802 seine nachmalige Frau kennengelernt. Er war zweimal verheiratet: In erster Ehe mit Anna Beata Heinsius, die ihm vierzehn Kinder schenkte und 1802 starb. Am 23. August 1803 heiratete Heinrich Medicus die Witwe des Eisenhändlers Johann Jakob Mayer aus Lichtenau, Christina Magdalene geborene Dietrich, die am 16. Januar 1827 im Alter von über 77 Jahren starb. | ||
+ | |||
+ | Damals hatte er als Husarenoberst im Gasthaus zur „Krone" in Lichtenau Quartier bezogen, und dieses stattliche Anwesen erwarb er nun. Er ließ große Ökonomiegebäude erstellen und betrieb Landwirtschaft. Daneben versah er als alter Reitersmann die Poststelle der Landpost von Rastatt nach Straßburg, die gerade in den Jahren 1806 bis 1812 besonders blühte. | ||
+ | |||
+ | Heinrich Medicus wurde aber nicht durch die Landwirtschaft oder die Posthalterei zum bedeutenden Mann. Er ist aber auch trotz der zahlreichen Feldzüge, die er mitmachte, militärisch nicht besonders hervorgetreten. Er scheint überhaupt mehr organisatorische Fähigkeiten gehabt zu haben. Insbesondere aber hatte er enge Beziehungen zum markgräflichen bzw. großherzoglichen Hof zu Karlsruhe und zu oberen Gesellschaftskreisen. Dies dehnte sich auch auf seine Familie aus, so daß seine Kinder Spielkameraden der Kinder des Landesfürsten waren. Bei der Reichsgräfin von Hochberg, der zweiten Frau des Markgrafen Karl Friedrich, scheint er in besonderer Gunst gestanden zu haben. Diese kunstsinnige Frau mag wohl auch die Anregung gegeben haben zu jener Tätigkeit, die Heinrich Medicus unsterblich und unvergessen werden ließ: das Sammeln und die Niederschrift von Geschichten und Märchen und vor allem von Sagen aus alter Volksüberlieferung. | ||
+ | |||
+ | In den Jahren 1800 bis 1807 legte Heinrich Medicus eine Sammlung von dreißig Bändchen von Volkssagen an, die er nach und nach seiner hohen Gönnerin zueignete. Sie sind alle handschriftlich verfaßt und einer ganzen Anzahl sind überdies kunstfertig ausgeführte Zeichnungen in Tusche oder Farbe beigefügt. Heinrich Medicus war nämlich ein hervorragender Zeichner, der nicht nur im militärischen Bereich tätig war, sondern beispielsweise auch den Erbprinzengarten in Karlsruhe mit dem sogenannten Erbprinzenschlößchen und dem Lusthaus so ausgezeichnet wiedergab, daß diese Zeichnung als Stich herausgegeben wurde. In den späteren Jahren erstand ein zweites Bändchen, so daß beide Sammlungen zusammen 46 Volkssagen geben, die bis auf einige wenige Ausnahmen alle von Mittelbaden oder zumindest der nächsten Umgebung berichten oder dort ihren Ursprung haben. | ||
+ | |||
+ | Heinrich Medicus stand wegen der Korrektur seiner schriftstellerischen Arbeit mit Johann Peter Hebel in Verbindung, der Änderungen anbrachte und Vorschläge unterbreitete. Diese Sagen hat Heinrich Medicus alle mit großer Gewissenhaftigkeit und genauer Darstellung festgehalten und allerlei Nebenumstände und oft sonstige wissenswerte Einzelheiten beigefügt. So bescheinigte ihm der große Historiker Mone, daß seine Sagen einen hohen Wert haben, „der noch dadurch erhöht wird, daß der Verfasser mit gewissenhafter Genauigkeit alle Nebenumstände und anderweitige Nachrichten berührt, die ihm mündlich überliefert wurden; dabei hat er auch die noch örtlichen Spuren der Sagen bemerkt und beurteilt". | ||
+ | |||
+ | Es ist bedauerlich, daß nicht alle Schriften aus dem reichen Schatz alter Volkssagen und -märchen aus der Feder von Heinrich Medicus uns erhalten blieben. Er hat sich aber mit diesen Sagensammlungen ein Denkmal geschaffen, durch das er unsterblich geworden ist. Dies ist um so höher zu werten, als er schon Jahre vor den berühmten Gebrüdern Grimm Sagengut sammelte und der Nachwelt überlieferte. Es ist eigentlich schade, daß diese Sagensammlungen nie im Druck erschienen wie etwa jene der Gebrüder Grimm. | ||
+ | |||
+ | In Lichtenau ehrte man den berühmten Einwohner, der seine Grabstätte gleich hinter dem Eingangstor des Friedhofs hat, durch eine Medicus-Stube sowie die Benennung einer Straße nach ihm. | ||
+ | |||
+ | Adolf Hirth, Kappelrodeck, Heimatgruß aus Lichtenau, Heft 1980, S.56 ff. | ||
+ | |||
+ | '''weitere Quellen:''' | ||
*[http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/id/7055/current/13/sn/bio?q=Medicus Hessisches Landesarchiv LAGIS]. | *[http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/id/7055/current/13/sn/bio?q=Medicus Hessisches Landesarchiv LAGIS]. | ||
*Im [http://www.landesarchiv-bw.de/web/48823 Landesarchiv Baden-Württemberg] sind die Gedichte und Sagen des Heinrich Medicus (*1743) auf Mikrofilm archiviert.Der [http://www.fetzer-net.de/heimatverein/archiv/57,0,heinrich-medicus,index,0.html Heimatverein Medicus] in Lichtenau bemüht sich um Zugriff auf diese Quellen (Stand 22.7.2011). | *Im [http://www.landesarchiv-bw.de/web/48823 Landesarchiv Baden-Württemberg] sind die Gedichte und Sagen des Heinrich Medicus (*1743) auf Mikrofilm archiviert.Der [http://www.fetzer-net.de/heimatverein/archiv/57,0,heinrich-medicus,index,0.html Heimatverein Medicus] in Lichtenau bemüht sich um Zugriff auf diese Quellen (Stand 22.7.2011). |