Medicus:FritzMedicus1876-Lebenslauf
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{{Medicus:Vorlage:Navigationsleiste}} __NOTOC__ Hs 1376:3 (Archivnummer der ETH-Bibliothek Zürich) (Abschrift der Handschrift von Fritz Medicus aus dem Jahr 1908) == Lebenslauf == Am 23. April 1876 wurde ich, Fritz Medicus, geboren in Stadtlauringen (Bayern) als Sohn des dortigen Apothekers. Meine Konfession ist die evangelisch-lutherische. Durch Privatunterricht wurde ich für das Gymnasium vorbereitet, das ich in Hildburghausen von Ostern 1888 bis Ostern 1895 besuchte. Mit dem Reifezeugnis ging ich zunächst nach Jena und wurde stud.theol. Nach 2 Semestern ging ich als stud.theol. et philos. nach Kiel: hier wurde durch die Vorlesungen Alois Riehls mein philosophisches Interesse besonders auf Kant hingeleitet. Ostern 1897 ging ich nach Straßburg, wo namentlich Winkelband (?) sehr großen Einfluss auf mich gewann. Auch Paul Hensel (jetzt in Erlangen) muss ich hier dankbar erwähnen: von ihm gingen die ersten Anregungen aus, die nachkantische Philosophie, bes. Fichte zu studieren. Mit der Theologie habe ich mich in Straßburg nur wenig mehr beschäftigt, und als ich im Herbst 1897 nach Jena zurückkehrte, ließ ich sie völlig liegen. Encken (?) und Liebmann zogen mich hier beide stark an, Encken durch die umspannende Weite und die - damals freilich von mir nur in unsicherem Ahnen geglaubte - Tiefe, Liebmann durch die Schärfe und die Klarheit seines philosophischen Denkens. Ich habe von beiden sehr viel gelernt. Am 25. Juni 1898 bestand ich das Examen rigorosum; meine Dissertation "Kants transzendentale Ästhetik und die nichteuklidische Geometrie" hatte ich bei Liebmann eingereicht. Sie ist zu Anfang (Seite 2) des folgenden Jahres in der Zeitschrift "Kantstudien" erschienen. Meine Nebenfächer im Examen waren Nationalökonomie und Archäologie. Im Juli 1898 zog ich nach Halle. Der Herausgeber der „Kantstudien“, Prof. Vailinger (?) hatte mich als Redaktionsassistent engagiert, und ich habe 7 Jahre lang neben ihm die wissenschaftlichen und die technischen Angelegenheiten besorgt, die eine solche Redaktion nötig macht. Daneben hörte ich an der Universität noch einige Vorlesungen und nahm besonders an den philosophischen Übungen teil, die Riehl, mein ehemaliger Lehrer, nun hierselbst abhielt. Ein paar kleine Aufsätze von mir wurden in den „Kantstudien“ gedruckt. Die Tätigkeit, die ich der Zeitschrift zu widmen hatte, brachte es zunächst mit sich, dass ich mich sehr intensiv mit Kant beschäftigte, weiterhin aber auch, dass ich das immer lebhafter werdende Bestreben empfand, aus Kant wieder heraus zu kommen – versteht sich, auf philosophische Art. Im Sommer 1901 reichte ich meine Habilitationsschrift ein: (Berlin, Reuther u. Reichard (?) 1902) und suchte schon durch die Wahl dieses Themas denjenigen Punkt zu bezeichnen, an dem es am leichtesten einzusehen ist, warum es nicht angeht, einfach bei Kant stehen zu bleiben. Meine erste Vorlesung (Winter 1901/02) behandelte die Epoche von Kant bis Hegel. Ein paar Semester darauf (im Sommer 1903) schrieb ich für die „Kantstudien“ einen längeren systematischen Aufsatz, dem ich den Titel gab „Kant und Ranke“: hier machte ich den Versuch, ein positives Verhältnis zur (Seite 3) Geschichte zu rechtfertigen durch eine gewisse Erweiterung des Kantischen Systems, also noch ohne dessen Grundanschauungen aufzugeben, aber doch schon mit deutlicher Hinwendung zu Fichte. Allein der Aufsatz hatte Unmögliches versucht. Im Sommer 1904 hielt ich ein Kollegium über Fichte, das ich dann im Druck habe erscheinen lassen (Berlin, Reuther u. Reichard 1905). Hier trat ich offen für Fichte ein. Ich hatte mich nach langem Kämpfen völlig davon überzeugt, dass mit bloßem Herumkorrigieren an Kant nicht durchzukommen ist: die grundlegende Konzeption muss eine andere sein, und eine eindringende Auseinandersetzung mit Fichte, Schelling und Hegel ist der Philosophie der Gegenwart unerlässlich. Ich arbeite nun in Ruhe an den entscheidenden Prinzipienfragen der Philosophie. Nach dem Erscheinen meiner Fichtevorlesungen habe ich nur noch ein paar kurze Aufsätze veröffentlicht: bei den Arbeiten, die mich beschäftigten, kommt wenig darauf an, ob sie einige Jahre eher oder später publiziert werden. Um indessen der gegenwärtigen Zeit doch auch einen Dienst zu leisten, habe ich begonnen, eine 6bändige Auswahl aus Fichtes (nur noch schwer zugänglichen) Werken herauszugeben, 2 Bände sind erschienen (Leipzig, Fritz Eckardt 1908), eine größere Einleitung, die viel unausgenutztes Material verarbeitet hat, liegt im Manuskript fertig. Außerdem bereite ich eine umfangreiche Geschichte der mittelalterlichen Philosophie vor: sie wird als Teil eines Sammelwerkes erscheinen, das alle systematischen und historischen Disziplinen der Philosophie umfassen wird; die Redaktion des Sammel- (Seite 4) werkes ist mir anvertraut. Im Ganzen ist mir das letzte Jahrzehnt sehr still verlaufen. Es war dem Schreibtisch und vor allem dem Katheder gewidmet: ich bin unendlich gern Lehrer. Die wichtigsten Unterbrechungen, die dieses ruhige Dasein erfahren hat, sind ein paar Ferienreisen gewesen. Einmal war ich einen Monat in England, nur viermal, zusammen sieben Monate, in Italien. Ich habe rege kunstgeschichtliche Interessen zu nähren gesucht: aber mindestens ebenso hoch wie der Ertrag, den mir meine Reisen in dieser Hinsicht gewährt haben, schätze ich die einfache Tatsache, dass ich Menschen fremder Nationen da habe aufsuchen dürfen, wo sie bei sich zuhause sind.
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